Mittwoch, 30. September 2009




Blick durch die Fenster des Pavillons am See (Walensee - Schweiz, im September 2009)


Zu dieser Fotografie des Fensters des Pavillons am See gehört auch eine Geschichte. Sie ist am vergangenen Samstag geschehen und handelt von einer Möwe und auch von einer Rose.

Die Geschichte lautet folgendermaßen:


Die Möwe

Ich war schon um acht Uhr früh an meinem Reiseziel angekommen und beschloß die Stunde Wartezeit bis der Zug mit Andreas eintreffen würde am Seeufer zu verbringen, um die Fenster eben dieses Pavillons zu fotografieren. So stieg ich aus dem Auto aus, das ich auf den noch fast vollkommen ausgestorben daliegenden Parklatz abgestellt hatte und schlenderte gemächlich an nichts denkend zum Pavillon, um ein schönes Motiv zu suchen. Zu fotografieren empfinde ich manchmal wie eine Meditation. Wie eine Öffnung in Raum und Zeit. Ich werde ruhig.

Da sah ich eine Rose über den Gartenzaun ranken, der die große Villa am See umsäumte, in deren Garten - genauer gesagt an dessen rechtem Rande - sich auch der kleine Pavillon befand.

Die Rose war betörend schön und fasziniert ging ich zu ihr. Ihre üppig barocke Blütentraube am Ende ihres über den Zaun gebogenen und dornenbewehrten Zweiges strahlte in der Farbe von reifen Orangen mit geröteten Wangen in den erwachenden Morgen.

Plötzlich sprach mich ein junger Mann auf Schweitzerdeutsch an, der auf einem Fahrrad saß. Er trug einen Helm und Sportkleidung. Erst verstand ich ihn nicht richtig. Ich hörte: Möwe und Angelhacken. Und: Handy und Polizei rufen. Endlich begriff ich aber den Zusammenhang! Da vorne war eine Möwe im Wasser, die Hilfe brauchte und ob ich kein Handy hätte, jemanden der helfen konnte, nur wen?, anzurufen.

„Wir können ja erst noch einmal selbst schauen“, sagte ich, und ging schon in die Richtung, in welche der junge Mann gezeigt hatte. Meine Schritte wurden immer schneller und schließlich rannte ich mit ihm über den geharkten Kiesweg am Seeufer zu einer erhöhten Stelle mit Kastanienbäumen und Bänken. Draußen auf dem Wasser sah ich eine Möwe hilflos an einem Nylonfaden treiben und dabei mit den Flügeln schlagen. Sie hatte einen Angelhacken verschluckt!

Zwei stattliche Schwäne näherten sich gerade der Möwe. Nicht in freundlicher Absicht, sondern um sie auch noch anzugreifen. Sie machten lange Hälse zur Möwe hin, die immer wieder panisch vergeblich versuchte davonzufliegen aber nicht konnte und bliesen aus ihren aufgerissen Schnäbeln. Wie ungewöhnlich, dachte ich langsam, warum tun sie das nur? Und: Was für ein Anblick!

Wir balancierten die steile Böschung zum Wasser hinab und ich zog kurzerhand schnell meine Schuhe und die Strümpfe aus, krempelte die Hose so weit wie möglich hoch, um in das Türkis des Sees zu waten. Kastanien lagen zwischen den Steinritzen. Vorsichtig tasteten sich meine Füße über die glitschigen grauen Steine tiefer in das kalte Wasser hinein.

Schließlich bekam ich den Nylonfaden zu fassen und zog die Möwe damit behutsam näher und näher zu mir. Die beiden Schwäne zischten. Doch ich fürchtete mich nicht vor ihnen. Ich beachtete sie gar nicht. Meine Konzentration war voll auf die Möwe gerichtet.
Die Möwe hielt jetzt ganz still. Ich konnte sie mit meinen beiden Händen greifen und hielt sie vorsichtig fest. Was für ein schönes Tier! Es war eine sehr hübsche, zierliche Möwe mit der typischen grauen Markierung am Kopf. Ihr Gefieder fühlte sich an wie glatte, kühle Seide und leuchtete so weiß wie das Eis im Polarmeer mit einem fast bläulichen Schimmer. Ich habe nicht gewußt, wie schön Möwen sind!
Vorsichtig zog ich den großen Angelhacken aus ihrem Schlund. Zum Glück ließ er sich leicht und ohne Verletzung entfernen.
Nun öffnete ich meine Hände.
Da flog die Möwe glücklich erlöst laut schreiend über den See in die Morgensonne davon!

Wieder am Ufer zurückgekehrt sagte der junge Mann erleichtert zu mir: „Jetzt kann ich ohne ein schlechtes Gewissen beruhigt nach Hause radeln“, und wir lächelten uns an.

Den unheilbringenden Hacken mit dem Blinker und dem Fadengewirr in meiner Hand warf ich in den Mülleimer zwischen den Kastanienbäumen bei den Bänken.

Ich erzählte dem jungen Mann auch, daß ich zu einer Frau in dem Dorf auf dem Berg fahren würde.

Diese sagte am Nachmittag beim Abschied vor ihrer Haustüre, nachdem wir uns herzlich umarmt hatten, plötzlich in einem besonderen Ton zu mir - ich hatte mich schon umgewandt um zu gehen -:

"Wirfst du noch einmal einen Blick zurück auf die Rose, bevor du gehst... "

Ich wandte mich um und sah in ihre Richtung.
Sie lächelte.
Jetzt trat sie beiseite und gab den Blick frei.

Hinter ihr rankte der lange, dornenbewehrte Zweig einer betörend schönen Rose vom Garten bogenförmig in den schmalen Weg vor dem Haus hinein, sein Ende schwer von üppigen Blütendolden.

Sie blühten rosarot.

Ich hatte ihr nichts von der Rose und der Möwe am Morgen erzählt.




Ein Gedicht:

SINGE die Gärten, mein Herz, die du nicht kennst;
                                      wie in Glas
eingegossene Gärten, klar, unerreichbar.
Wasser und Rosen von Ispahan oder Schiras,
singe sie selig, preise sie, keinem vergleichbar.

Zeige, mein Herz, daß du sie niemals entbehrst.
Daß sie dich meinen, ihre reifenden Feigen.
Daß du mit ihren, zwischen den blühenden Zweigen
wie zum Gesicht gesteigerten Lüften verkehrst.

Meide den Irrtum, daß es Entbehrungen gebe
für den geschehnen Entschluß, diesen: zu sein!
Seidener Faden, kamst du hinein ins Gewebe.

Welchem der Bilder du auch im Innern geeint bist
(sei es selbst ein Moment aus dem Leben der Pein),
fühl, daß der ganze, der rühmliche Teppich gemeint ist.

(Rainer Maria Rilke - Sonette an Orpheus, Zweiter Teil, Sonett XXI)



Die Frau im Fenster (in der Stadt im September 2009)

Dienstag, 29. September 2009




Buntes Fenster mit Rosen und Windrädern (auf den Weg in das Stadtzentrum im September 2009)

Haus-Nummer 4


Haus-Nummer 4 ist das Haus der Freude, mit diesem inneren Bild erwachte ich heute Morgen mit frohem Herzen.
Eine gute Nachricht, sie schmeckte so süß.
Es war so viel Liebe dabei.
Wer hat sie wohl abgesandt?
Es muß jemand ganz Vertrautes gewesen sein. So fühlte es sich an. So schmeckte es den Tag über in der Erinnerung.
Jemand, der mir ganz nahe ist.
Nur wer?
Du weißt es doch, sagt eine Stimme in mir. Du weißt es doch, denk nach, erinnere dich!

Es ist ein Haus im klassizistischen Stil mit einem warmen, rostbraunen Anstrich und waldgrünen Fensterläden an den hohen Fenstern. Sonnenbeschienen. Es ist zweigeschossig. Die Eingangstüre befindet sich in der Mitte der Front, zwischen den je zwei Fenstern rechts und links davon.
Über der Türe ist ein kleiner, dreieckiger Giebel, ein Tympanon, in dem in Großbuchstaben FREUDE geschrieben steht.

Vielleicht ist es das Haus der Erde.
Das Haus der Gärtner.

Tritt ein bring Glück herein!

Montag, 28. September 2009



Haus-Nummer 8 (im September 2009)

Manchmal hängt sie den Kronleuchter vom Zimmer hinaus an den Ast eines Baumes, der in ihrem Garten steht, wurde mir erzählt.
Einfach so. -
Das sieht bestimmt wunderschön aus.

Sonntag, 27. September 2009






Fenster mit Birnbaum und Blumen (auf den Weg nach Küsnacht im September 2009)


Oder sind es Äpfel?


Das Fenster

Wundersame Begegnungen. Am vergangenen Sonntag, als ich unterwegs gewesen war um Fenster zu fotografieren und um eine Kunstausstellung zu besuchen, kam ich in einem kleinen Dorf an eine Kreuzung mit einem Wohnhaus, dessen großes Fenster im Erdgeschoß genau auf die Kreuzung hinaus ging. Ich saß im Auto, hielt auf die Kreuzung zu und war gerade dabei nach links abzubiegen.
Hinter dem Fenster standen die Großmutter, die Mutter und zwei Kinder.
Alle hinausblickend. Ein stummes Gemälde. Die Gardine sacht beiseitegehalten, damit sie sehen konnten. Nachdenklich. Die Sonntagnachmittag-Stimmung und das Zusammenstehen, das Zusammensein, genießend.
Die Zeit schien still zu stehen.
Ein Augenblick Zeitlosigkeit.
Was sie wohl betrachtet haben? Das Treiben auf der Kreuzung?
Eigentlich war da nicht besonders viel zu sehen.
Oder?
An so einem verträumten Sonntagnachmittag in einem kleinen Dorf.
Die Sonne schien und malte Schattenblumen auf die stummen Häuser.
Auf die hohen Wände aus Stein und Rauhputz.
Manchmal glitzerte es.
Ab und zu ein Auto.
Ein Spaziergänger.
Mich haben sie auf jeden Fall auch gesehen, im Auto sitzend - für einen kurzen Augenblick haben sich unsere Blicke getroffen.
Ich habe wohl ziemlich große Augen gemacht.
Ich habe nicht angehalten und sie gefragt, ob ich sie fotografieren darf. Das habe ich mich nicht getraut, obwohl ich es gerne getan hätte.
Was sie wohl gerade gedacht haben?
Über was sie wohl gesprochen haben?
Ich könnte mir vorstellen, daß die Kinder eifrig etwas erzählt haben, ganz begeistert, wie das nur Kinder können. Ich höre schon ihre Stimmen. Von etwas, was da draußen war.
Es war ein so ein eindrückliches Bild voller Ruhe und Vertrautheit. Von Intimitiät, auf eine ganz besondere Art und Weise. Eine Intimität, an der ich teil hatte.
Es war auch Distanziertheit. Die Grenze der Glasscheibe dazwischen, zwischen denen da draußen und denen drinnen. Zwischen wir und Euch. Zwischen der Stube und dem Sonntagnachmittag auf der Straße.
Wie eine gerahmte Fotografie, an die Hauswand gehängt.
Aber trotzdem. Sie sind ganz nahe am Fenster...
Und Frieden. Die beiden hinausblickenden Frauen mit den kleinen Kindern davor. Die Hände der Mutter auf den Schultern eines der Kinder liegend.
Der Kopf der Mutter, sie hatte dunkle Haare und einen hellen Teint, leicht schräg nach links zum Kopf der Großmutter hin geneigt. Unter den Augen der Mutter die Ahnung von Ringen. Sie mußte müde sein. Sie sahen sich ähnlich.





Vor dem Bahnhof (Ziegelbrücke im September 2009)

Freitag, 25. September 2009




Im Speisesaal der Malschule (Turunç - Türkei, im Frühjahr 2009)

Donnerstag, 24. September 2009




Fensterrose der Kathedrale Notre-Dame-de-Chartres über dem Königsportal - Westseite (Chartres, im Dezember 2004)

-> Ein Link: Fenster der Kathedrale Notre-Dame-de-Chartres

Mittwoch, 23. September 2009


Rücken

Der Rücken des Geliebten am Fenster
steil
vor den Rücken
der Wabentürme New Yorks.
Stadt der einsamsten Bienen
gärend
von ungefragtem Honig.
Rücken aus Fremde.

(Hilde Domin)




Fenster im Raum 3 (Museum Schloß Oberschwappach - Skulptur von Sören Ernst, im September 2009)




Blick auf den Seerosenteich (Museum Schloß Oberschwappach, im September 2009)




Einschub:
"(...) Aber wieder kehrte das Sternenpendel um und die Herrlichkeit verging und löste sich auf und versank, Blatt für Blatt, in den unergründlichen Tiefen des schwarzen Teiches.
     Langsam, langsam wanderte das Pendel zurück auf die Gegenseite, aber es erreichte nun nicht mehr dieselbe Stelle wie vorher, sondern es war um ein kleines Stück weitergewandert. Und dort, einen Schritt neben der ersten Stelle, begann abermals eine Knospe aufzusteigen und sich allmählich zu entfalten.
     Diese Blüte war nun die allerschönste, wie es Momo schien. Dies war die Blüte aller Blüten, ein einziges Wunder!
     Momo hätte am liebsten laut geweint, als sie sehen mußte, daß auch diese Vollkommenheit anfing hinzuwelken und in den dunklen Tiefen zu versinken. (...)"

(Zitiert aus dem Buch Momo von Michael Ende.)

Dienstag, 22. September 2009




Fenster mit Schwänen (unbewohntes Haus, im September 2009)


Vor einiger Zeit träumte ich von einem Schwan.

In dem Traum war ich auf den Weg zum offenen Meer, den italienischen Stiefel entlang, nach Süden.
Dorthin verlangte meine Sehnsucht.
Ich schwamm. War es schon das Meer? Es war nur ein Binnensee, nicht das Meer. Ich war enttäuscht.
Da realisierte ich plötzlich, daß etwas unter mir im Wasser war. Es war ein wunderschöner, großer, weißer Schwan mit einem langen, gebogenen Hals, der still auf dem Grund des Sees saß, sich s-förmig nach oben wandt.
Ich dachte: Wie seltsam.
Sein Anblick traf mich merkwürdig auf ungekannte Weise.
Ein Schwan.
Es muß ein Vulkansee gewesen sein, denn die Kieselsteine am Seegrund waren grau. Das Wasser türkisblau.
Der See war hier etwa drei Meter tief.
Dann sah ich mich an anderer Stelle schwimmen. Jetzt war das Wasser sehr tief. Rostige Eisenteile von Maschinen ragten aus den Wellen empor. Gewaltige Ketten. Ich fürchtete mich, hier wollte ich nicht sein. Etwas ungeheurlich Schreckliches schien versteckt unter der Wasseroberfläche lauern.
Im weiteren Verlauf des Traumes - auf der Reise nach Süden zum Meer - gelangten wir auch in eine Stadt namens Foggia.

Montag, 21. September 2009






Fenster in einem Felsen (an einem besonderen Ort im September 2009)

Sonntag, 20. September 2009




Badezimmer mit Ausblick (Gruppo di Brenta 2004)

Samstag, 19. September 2009




Blick in den Garten (Graubner Pavillon, Museum Insel Hombroich im Herbst 2005)

-> Ein Link: Museum Insel Hombroich






Fenster der ehemaligen Scheune (Haus der Großeltern im Herbst 2009)



Blick aus dem Fenster der ehemaligen Scheune (Haus der Großeltern im Herbst 2009)

Donnerstag, 17. September 2009




Verkaufsfenster mit Rose und Blumentopf (im September 2009)


In einem Fenster zwei Häuser weiter von dem oben gezeigten stand eine lapislazuliblau und gelb emaillierte wunderschöne Vase. Eigentlich war es eher eine bauchig geformte Kanne wie aus einer schönen Geschichte. Aus einem Märchen.
Es war eine Karaffe.
Es war ein ganz unauffälliges und schmuckloses Fenster im Baustil der 70er Jahre, ganz im Gegensatz zu dem Gefäß. Auch das Haus wirkte unauffällig und grau.
Für welchen Zweck mag diese Karaffe wohl gedacht sein?
Für dampfend heißen Tee, der vom Hausherren in die Tassen der Gäste gefüllt werden wird?
Für duftendes Öl?
Für das Blumenwasser?
Oder dient sie als Zierrat?
Um die Blicke der Passanten einzufangen.
Links von der Karaffe hing ein schmiedeeiserner Stern von oben herab, dessen Inneres eine purpurne, klare Glaskugel war.
Ein blanker, erstarrter Tropfen.
Ein Auge.
Und rechts von der Karaffe, welche mein Interesse im Vorbeifahren aus den Augenwinkeln so gefesselt hatte, stand ein Blumentopf mit einer weißen Orchidee.
Lichtschein drang von innen her heraus. Irgendwo im Zimmer brannten kleine Lampen.




Einschub:
Einen Schüler des Rabbi Pinchas quälte der Zweifel, wie es möglich sei, daß Gott alle seine Gedanken, auch die flüchtigsten und unbestimmbarsten, kenne. Vor großer Qual fuhr er zu seinem Lehrer, um ihn zu bitten, er möge die Verwirrung seines Herzens lösen.
Rabbi Pinchas stand im Fenster und blickte dem Kommenden entgegen. Als er eingetreten war und nach der Begrüßung sogleich seine Klage anheben wollte, sprach der Zadik: "Ich weiß es, Freund, und wie sollte Gott es nicht wissen?"

(Aus dem Buch Die Erzählungen der Chassidim von Martin Buber, Manesse Bibliothek der Weltliteratur.)

Über Fenster


Fenster sind faszinierend. Sie faszinieren mich. Sie machen mich neugierig.
Sie bergen Geschichten.
Was ist drinnen?
Wer lebt in dem Raum? Was ist das für ein Mensch?
Was denkt er? Was liebt er, was mag er weniger?
Was sind seine Träume?
Was zeigt er nach außen?
Wie ist der Blick nach draußen?
Wie ist die Aussicht?

Sie sind Öffnung.
Offenes Geheimnis.

Sie zeigen die Vergangenheit. Die Zukunft.
Die Gegenwart.
Die Gegenwart in ihrem unendlichen Reichtum.
Das Leben.


Sind es Fenster zum Herzen?


Über Fenster:
Fenster in Raum und Zeit?
Fenster der Seele?
Entscheiden Sie, lieber Leser.